Alpen, Seen und Gewitter

Alpen, Seen und Gewitter

14. September 2023 4 Von Andreas

Es ist schon dunkel und immer noch sehr warm. Dennoch sitzen wir in unserem Zelt, draussen grummelt es und immer wieder ist Wetterleuchten zu sehen. Wir beruhigen uns damit, dass wir uns ja notfalls morgen ein Zimmer nehmen können und größere Bäume stehen auch nicht um uns herum, wir können also nur nass werden.

Ja wir sind inzwischen auf der Südseite der Alpen angekommen, genauer am Kalternsee auf einem Campingplatz. Und es ist schon ein gutes Gefühl die Alpen mit eigener Muskelkraft überquert zu haben. Aber der Reihe nach.

Von der Donau sind wir am Lech entlang Richtung Süden bis Augsburg und von dort Nach München mit einem Abstecher zu meiner Tante am nördlichen Ende des Ammersees. Wie immer war der Aufenthalt bei meiner Tante Gisela sehr entspannt und nett.

In München hatten wir den Luxus einer eigenen Wohnung, Sonja und Bela haben uns ihre Wohnung nutzen lassen während sie selbst noch im Urlaub waren. Wieder eine Wohnung nur für sich zu haben war grandios, einfach nur da sitzen und nicht raus zu müssen hatte etwas.

Aber wir wollten ja über die Alpen. Also ging es nach ein paar Tagen wieder los über den Ammersee zurück zum Lech. Dort trafen wir auf die Via Claudia Augusta, eine alte Römerstraße, die es dem Römischen Reich ermöglichte, schnell Truppen in die germanischen Kolonien zu verlegen. Natürlich wurde die Straße auch für den Warenverkehr genutzt und war eine Verbindung zwischen den Kulturen.

Unsere erste Station entlang der Via Claudia ist kurz vor Füssen am Foggernsee mit einem etwas engen Zeltplatz, aber mit Blick auf Neuschwanstein und der Möglichkeit im Foggernsee zu baden, ein sehr erfrischendes Erlebnis mit grandiosem Panorama.

Nach Füssen kommt der erste Aufstieg und es war der schwierigste von der ganzen Alpenquerung. Wahrscheinlich, weil es sehr steile Anstiege gab und der Weg auch noch geschottert war und wir deswegen öfter mit dem Hinterrad durchdrehen. Wir mussten also auch schieben. Beim ersten Aufstieg offenbahrte sich auch ein technisches Problem: wenn ich auf dem zweiten vorderen Ritzel fuhr, trat ich immer wieder durch. Nicht gut und eine zusätzliche Erschwernis für den Aufstieg. Offensichtlich war das Ritzel recht weit abgefahren.

Aber schließlich schafften wir es, waren in Österreich und nach knapp 50 km beschlossen wir nicht weiter zu fahren und den nächsten Pass frisch am kommenden Morgen anzugehen.

Auch der Weg zum sogenannten Fernpass ist geschottert, aber nicht so steil wie am Vortag und ganz gut zu meistern. Die Abfahrt in Richtung Nassreith führte uns über die antike Via Claudia, stellenweise sind die Spuren der zahlreichen Räder in dem Fels gefräst und gut zu sehen. Es ist ein besonders Gefühl einen Weg zu fahren, der schon seit über 2000 Jahren von Menschen genutzt wird.

In Prutz am Inntal wollten wir eigentlich Zelten, auf dem Campingplatz bekamen wir den freundlichen Hinweis, dass der folgende Zeltplatz viel besser für Radreisende ausgerüstet sei, also fuhren wir etwa 3 km weiter bis Ried, bekamen noch einen Platz auf einem Stück Rasen vor einem derzeit nicht genutztem Dauercampingzelt.

Am folgenden Tag liegt der Reschenpass auf unserem Weg, der höchste Pass (1515m) bei unserer Querung. Bevor wir die elf Serpentinen angehen kamen wir kurz durch die Schweiz. Die Serpentinen ließen sich ganz gut meistern, geduldig kurbelten wir in niedrigem Gang bergauf, machten auch eine Pause, um danach gestärkt weiter zu fahren und andere Fahrradfahrende mit deutlich weniger Gepäck auch mal zu überholen.

Der letzte Teil vom Pass zieht sich, der Anstieg ist zwar nicht mehr so steil, aber inzwischen blies uns ein strammer Wind ins Gesicht und so kämpften wir uns bergauf und gegen den Wind bevor es wieder abwärts geht.

Nun waren unsere Bremsen gefragt und starke Finger. Teilweise gibt es ein Gefälle von 20% und erstmals sehen wir Geschwindigkeitsbegrenzungen für Fahrräder von 30 km/h, die aber auch gerechtfertigt war. Wir rollten bis Glurnz, dort gibt es einen der wenigen kommunalen Campinplätze. Wir bleiben in der kleinsten Stadt Südtirols (so die Eigenwerbung) und beschließen spontan dort sogar zwei Nächte zu bleiben. Am Samstag ist dort das Parabirnenfest mit Markt. Die Parabirne ist eine alte, hochstämmige Variante, die auch Apothekerbirne genannt wird. Wir erleben den Markt, schlemmen Knödel, umwandern die kleine Stadt mit ihrer noch vollständig erhaltenen Stadtmauer und genießen den freien Tag. Nachts wiegt uns das Rauschen der Etsch in den Schlaf.

Nach der Pause folgen wir der Etsch weiter Talwärts, es ist ein sehr angenehmes fahren, da wir mit wenig Aufwand recht schnell voran, mit einem kurzen Stop in Meran, schauen uns die Laubengasse an und machen bei Vilpain für die Nacht halt.

Es wird nun schon früh dunkel, wir sitzen nach dem Abendessen noch vor dem Zelt als uns ein Mitzelter auf englisch anspricht. Er und sein Freund haben eine Gaskartusche gekauft, die aber nicht zu ihrem Kochaufsatz passen. Sie benötigen eine Kartusche mit Schraubgewinde, so wie wir auch. Wir leihen ihnen unsere Kartusche, damit sie sich wenigstens ein Abendessen kochen können und ich erzähle von unserer Erfahrung aus Frankreich, dass man entsprechende Kartuschen auch gut im Baumarkt finden kann. Eine Internetrecherche zeigt, dass es in italienischen Baumärkten auch so sein müsste. Als er später unsere Kartusche zurück bringt, gebe ich meine Rechercheergebisse weiter und wir plaudern noch ein wenig. Er und sein Freund sind Israelis, sie waren gerade auf einem Bierfest in Bozen und wissen noch nicht, was ihre nächste Station sein wird.

Wir fahren am nächsten Morgen früh los, damit wir schnell in Bozen sind. Ich habe eine Verabredung bei Bike Wellness und Max. Ihn hatte ich vor dem Wochenende angerufen, ob er mir mit meinen Fahrradproblemen helfen kann. Als wir ankommen, liegt schon ein Ersatzritzel bereit, Max wuchtet das Fahrrad voll bepackt (ich hatte angeboten es abzupacken) auf den Reparaturständer. Er stellt fest, dass nicht nur das Ritzel durch ist, auch die Kette ist schon übernutzt und muss getauscht werden. Damit müssen auch alle Ritzel am Hinterrad getauscht werden. Glücklicherweise hat er alle Teile vorrätig. Max macht sich direkt an die Arbeit und schickt uns auf einen Kaffee um die Ecke. Es ist das erste Kaffee, in dem nur italienisch gesprochen wird, wir nähern uns der Sprachgrenze. Nach einem leckeren Kaffee und Cornetto gehen wir zurück zum Fahrradgeschäft. Die Fahrräder stehen schon fertig vor der Tür. Ich bin begeistert, das war eine schnelle, effiziente und freundliche Reperatur. Ich bedanke mich sehr herzlich, zahle und viel früher als erwartet, fahren wir in die Innenstadt von Bozen. In einem Sportgeschäft in den Lauben kaufe ich noch schnell eine neue Gaskartusche. Walther von der Vogelweide als Statue können wir bestaunen sowie einige andere Sehenswürdigkeiten. Dann machen wir uns auf den Weg zum Kalterer See, etwa 30 km hinter Bozen.

Am Kalterer See finden wir einen schönen Campingplatz, springen in den See und sind begeistert. Er erscheint uns schade bei so schönem Wetter einen so netten Platz schnell wieder zu verlassen, also bleiben wir auch hier zwei Nächte. Am ersten Abend gehen wir in eine nahe Besenwirtschaft und genießen den dort gekelterten Wein. An unserem „freien“ Tag nutzen wir eine Standseilbahn, um auf den Mendelpass zu fahren und dort eine kleine Wanderung von vier Stunden zu machen.

Nun wird es aber Zeit und endlich etwas zielstrebiger zum Mittelmeer zu bewegen. Über Trient fahren wir zum Caldonazzosee im Valsugana. In Trient fahren wir zunächst zum Bahnhof, wir wollen fragen, ob und wie man mit den Fahrrädern mit dem Zug nach Pergine Valsigano kommt. Kaum habe ich die Frage gestellt heißt es, dass es 8,40 EUR kostet und der Zug in fünf Minuten von Gleis eins fährt und hier sind die Fahrkarten. Wir nutzen den Zug auch, weil der Fahrradweg entlang und auf einer größeren Straße zum Pass hoch führt.

Von hier aus geht es das Brentatal hinab nach Bassano del Grappa. Von dort sollten wir noch etwa zwei Tage nach Venedig bzw. Chioggia brauchen.

Spannend fand ich den langsamen Übergang vom österreichischen, das im nördlichen Südtirol noch sehr stark vorherrscht, ins italienische. Erst kurz vor Trient ist die offizielle Sprachgrenze. Aber nicht nur an der Sprache ist eine Veränderung bemerkbar, die Luft und seine Gerüche, die Gebäude und ihr aussehen, das Flair verändert sich. Die Veränderung wird sicherlich noch weiter gehen.

Nachtrag

Nach einer wunderschönen Abfahrt durch das Brentatal sind wir inzwischen in Belsano del Grappa angekommen. Draußen regnet es wieder und ich fragte mich, wie es erst im Herbst werden wird. Nun, wir werden sehen.

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