Von der Küste auf den zweithöchsten Berg und zurück

Von der Küste auf den zweithöchsten Berg und zurück

13. März 2024 3 Von Andreas

Kochi ist eine alte Kolonialstadt mit Spuren von Holländern, Portugiesen und natürlich den Engländern. Wir sind angenehm überrascht von der Stadt bzw dem Stadtteil Fort Kochi, in der wir uns eine schöne Unterkunft in einem alten Kolonialhaus gesucht haben. Der Stadtteil wird insbesondere von westlichen Reisenden besucht, hat wenig Verkehr und ist gut zu Fuß zu erkunden. Die Anreise mit der städtischen Fähre mit Blick auf Hafen gefällt uns natürlich und erinnert uns etwas an Hamburg.

Von Samstag bis Montag schlendern wir durch die Straßen, genießen wieder richtigen Kaffee mit leckerem Kuchen, flanieren entlang der Meerpromenade mit zahlreichen Indern. Und natürlich nehmen wir Anregungen wieder auf, Christopher Walten, der Besitzer von Walton‘s Homestay, unserer Unterkunft, erzählt uns von einem Tempelfest in der Nähe, zu dem wir uns mit einem TukTuk fahren lassen. Eine prächtig geschmückte Straße führt zu einem mindestens ebenso prächtig geschmückten, kleinen Tempel. Die Prozession hat noch nicht angefangen, Teil des Zuges ist auch ein Elefant in Ketten. Er ist prächtig geschmückt, muss aber in dem Ohrenbetäubenden Lärm der Musiker ausharren, bis er wieder ein paar Schritte machen darf. Das Tier tut mir leid, so wie es benutzt wird, wie die Unterwerfung eines so schönen, erhabenen Wesens manifestiert wird, zur Belustigung der Menschen. Ich spreche einen Mann an, um zu fragen, was für Feierlichkeiten dies wären. Er erklärt mir, dass es ein Geburtstagsfest des Tempels wäre, die Menschen sollen feiern, Ballons werden an Kinder verteilt, Wassermelonensaft wird verteilt, von dem wir auch etwas abbekommen. Mädchen und junge Frauen stellen sich an der Spitze der Prozession auf, sie werden den Prozessionszug zum Tempel führen. Für die vielleicht 500m wird sich viel Zeit gelassen, vier, fünf Stunden soll es dauern.

Ganz touristisch sind wir unterwegs, haben wir uns doch auch eine sogenannte „Backwater-Tour“ gebucht, mit Stechkahn, um die Mangrovenwälder zu schonen. Morgens steigen wir vor unserer Unterkunft in ein Taxi ein, das uns abholt. Im Auto sitzt schon ein Paar aus Hyderabad. Wir erfahren, dass beides Journalisten sind bei einem TV-Nachrichtensender. Beim Boot werden wir schon erwartet, also steigen wir schnell ein und los geht es. Nach dem Mittagessen steigen wir um in zwei kleinere Boote, die uns durch engere Kanäle fahren. Unterwegs machen wir einen Landausflug, bei dem wir Gewürzpflanzen gezeigt bekommen.

Nachmittags sind wir zurück, sodass wir nochmal in das Treiben auf der Strandpromenade eintauchen können.

Nach dem Frühstück geht es dann am Montag für uns in die Berge. Wir gönnen uns ein Taxi, dass uns nach Munnar fährt. Mitten in einer Teeplantage, etwa zehn Kilometer von Munnar entfernt, liegt unsere neue Unterkunft, zusammen mit einem kleinen Dorf. Wir haben einen schönen Blick auf die Teebäume. Zum Sonnenuntergang spazieren wir entlang einer sehr wenig befahrenen Straße zu dem einsamen „Sonnenuntergangsfelsen“, so wurde er von unserem Vermieter angepriesen. Anderen wurde er wohl auch wärmstens empfohlen. Wir sind also nicht alleine. Aber es wird ein schöner Sonnenuntergang mit herrlichem Blick in Tal und gegenüberliegenden Hügelzug.

Tags darauf erfahren wir, dass in Munnar gestreikt wird, alle Straßen sind blockiert. Wieder ist jemand durch einen Elefanten umgekommen, nun wollen die Angehörigen Entschädigung. Später erfahren wir, dass die Regierung eine annehmbare Summe Geld und eine Stelle bei der Behörde als Kompensation angeboten hat, die dann auch angenommen wurde. Wir nutzen den Vormittag mit einer kleinen Wanderung, ein Versuch auf den Grat zu kommen geben aber auf, sobald wir in die pralle Sonne kommen. Wir laufen durch einen Wald wieder in Richtung des Sonnenuntergangsfelsen, unser Ziel ist ein Wasserfall unterhalb unserer Unterkunft. Auf dem Weg treffen wir Aarti und ihre Freundin, die beide aus Delhi kommen und auch mit uns in der Unterkunft wohnen. Wir erzählen von unserem Vorhaben und sie fragen, ob sie sich anschließen dürfen. Klar dürfen sie, also wandern wir durch die Teeplantage bei zunehmender Hitze bis zum Wasserfall. Dort gibt es glücklicherweise ein Café, in dem wir Erfrischungsgetränke und „Maggi“ bekommen, ein Nudelgericht, scharf gemacht.


In der Hitze wollen wir nicht zu Fuß zurück. Aarti kennt einen lokalen TukTuk-Fahrer, den sie anruft. Bald darauf sind wir zurück. Aarti und Freundin wollen noch eine Tour mit dem TukTuk-Fahrer machen, wir verabreden uns gemeinsam in eine Kathakali-Vorführung zu gehen. Darin wird wieder mit Musik und Gesten eine Geschichte erzählt. Es gibt eine Einführung, in der einige Gesichtsausdrücke und die Bedeutung von bestimmten Handgesten erklärt wird. Die Figuren und Kostüme erinnern auf den ersten Blick an das Theyyam, es ist aber was ganz anderes. Nach der Aufführung geht es für uns zurück in die Unterkunft, die zwei jungen Inderinnen fahren mit dem Nachtbus weiter nach Thiruvananthapuram.

Am nächsten Vormittag fahren wir auch mit einem TukTuk-Fahrer an den lokalen Sehenswürdigkeiten vorbei, mit unserem Gepäck. Nach einem Mittagessen lassen wir uns beim Büro der Forstbehörde absetzen. Diese bieten eine Gipfelbesteigung des Meesapulimala an. Mit 2636 Metern ist es der zweithöchste Berg in Südindien. Inklusive ist die Übernachtung im „Base Camp“ auf etwa 2070 Metern.

Ein Jeep fährt uns und ein britisches Paar durch Teeplantagen den Berg hinauf. Nach der Ankunft im Camp bekommen wir zunächst einen Begrüßungstee, bekommen dann ein Zelt zugewiesen aber sonst erfahren wir erstmal nichts. Uns ist das schon häufiger passiert, dass Informationen oder erst dann geteilt werden, wenn wir nachfragen. Hier ist es auch so. Erst auf Nachfrage erfahren wir, wann es Abendessen gibt, dass es dann am nächsten Morgen um 5:00 Uhr ein kurzes Frühstück gibt und wir um 5:30 Uhr zunächst mit dem Jeep noch weiter den Berg hinauf fahren bevor die Wanderung beginnt. Leider dürfen wir wegen der Wildtiere nicht aus dem Campgelände hinaus, es bleibt also nicht viel zu tun. Zum Abendessen kommt noch ein französisches Paar dazu, sie übernachten in einem Cottage der Forstbehörde nich weit weg. Wir unterhalten uns nett am Lagerfeuer und essen zusammen. Später kommt noch eine Gruppe Männer ins Camp. Als Silke und ich etwas mit ihnen plaudern, stellt sich heraus, dass sie vom Straßenbauamt des Nachbarbezirks sind und eine Art Betriebsausflug machen.

Um halb sechs brechen wir tatsächlich noch im Dunkeln auf. Ab der Top-Station geht es dann zu Fuß weiter, zunächst zum Sunrise Point. Nach Sonnenaufgang gehen wir sechs Europäer und zwei Guides dann zum Gipfel des Meesapulimala. Ein fantastischer Ausblick bietet sich uns mit sehr steilen Abbruchkanten, zwischendurch sanften Hügeln und einen Blick auf das Flachland, was sich schon in Dunst hüllt. Auf dem Rückweg kommen wir durch ein wunderschönes Tal, kosten von leckerem Bergwasser, sehen Spuren von Elefanten und Wildhunden. Einer der Guides hat hier auch schon einen Tiger gesehen. Vor uns bleiben all diese Tiere und auch die seltene Nilgiri-Thar verborgen.

Nach einem frühen Mittagessen im Base Camp geht es für uns wieder Bergab. Wir lassen uns gleich zum Busbahnhof bringen, wo wir einen Bus nach Kothamangalam erwischen wollen. Und wir haben Glück, der Swift Super Fast Bus steht bereit, es ist gerade noch Zeit vorher noch aufs Klo zu gehen und schon geht es los.

Super Fast nimmt der Fahrer sehr wörtlich. Mit einem Atemberaubenden, manchmal erschreckenden Tempo brettert er die Landstraße mit ihren vielen Kurven den Berg hinunter. Überholen vor der Kurve, kein Problem, man muss nur laut Hupen und im schlimmsten Fall müssen alle beteiligten bremsen. Die wilde Fahrt bekommt Silkes Magen nicht besonders, glücklicherweise haben wir eine gute und dichte Plastiktüte (noch aus Sri Lanka) dabei, die alles ungewollte aufnimmt. Mitfühlende Mitreisende machen den Schaffner und Fahrer auf unsere missliche Lage aufmerksam. Tatsächlich hält der Fahrer kurz am Straßenrand, damit wir Tüte und Inhalt entsorgen können. Von der Tüte wollen wir uns aber nicht trennen, also bleibt nur auskippen. Viele Kurven und etwa zwei Stunden später kommen wir in Kothamangalam an. Mit dem TukTuk lassen wir uns dann ins Thattekad Bird Sanctuary und den Jungle Bird Homestay bringen. Bei über 35°C vermissen wir die angenehmen Temperaturen in den Bergen.

Beim Abendessen lernen wir dann Sudha kennen, ihr gehört das Homestay. Gemeinsam mit ihrem Sohn haben sie vor 24 Jahren angefangen mit der Vogelbeobachtung. Sudha ist mit ihren 70 Jahren eine der wenigen staatlich anerkannten Natureguides und eine bekannte Koryphäe. Sie wird uns am nächsten Morgen durch den Park führen. Mit uns sind zwei Indische Frauen im Homestay, die ihrem Hobby Naturfotografie nachgehen. Beide leben eigentlich in Dubai und sind für eine Woche in diesen Park gekommen.

Um sechs Uhr geht es nach einem Tee los, früher macht der Park nicht auf. Sudha zeigt uns einige bemerkenswerte Vögel (siehe Bildergalerie) und es ist schön durch den Park zu gehen. Auch hier gibt es Elefanten, aber wir treffen glücklicherweise auf keine. Beim späten Frühstück erfahren wir, dass Späher die seltene Oriental Bay Owl entdeckt hätten. Ich darf mit den zwei Naturfotografinnen und Sudha mit und wir fahren ein Stück bis wir auf die Späher treffen. Auf dem Baum sitzt die Eule und schläft. Die Eulen, erfahre ich, haben ein sehr großes Territorium, das sie ähnlich wie Tiger durchstreifen. Sie kommen zwar immer wieder zu ihren Schlafbäumen zurück, sind dort aber maximal zweimal im Monat. Der Späher und sein Sohn kennen etwa 20 Bäume, die sie seit Tagen täglich abgesucht haben bis sie heute fündig wurden.

Nach diesem besonderen Erlebnis geht es auch für uns leider weiter. Eine Nacht an diesem besonderen Platz war zu wenig, aber die Kur wartet. Mit dem Bus fahren wir weiter nach Kochi. Wir haben keine Ahnung, wo der Busbahnhof ist und sind etwas erstaunt, als wir irgendwo an einem Busbahnhof aus dem Bus gespuckt werden. Wir stehen etwas verloren rum, eine Gruppe von jungen Indern auch. Wir fragen sie, ob sie auch nach Fort Kochi wollten. Das wollen sie auch und bieten uns an, uns zu helfen dorthin zu kommen. Dadurch kommen wir in den Genuss mit der modernen Hochbahn zu fahren. Auch sie sind auf einem Betriebsausflug. An unserer Haltestelle steigen wir alle aus, bis zum Fährhafen ist es noch etwa ein Kilometer. Der Entscheidungsprozess in der Gruppe dauert länger, also verabschieden wir uns, bedanken uns für die Hilfe und steigen in ein TukTuk ein, dass uns schnell zur Fähre bringt.

In Kochi genießen wir den Nachmittag und Abend, der Super moderne Zug bringt uns am nächsten Morgen nach Thiruvananthapuram und unserer Kur. Davon gibt es aber einen gesonderten Bericht.